Der Blaue Stern. Ostfrieslandkrimi (German Edition) by Ulrike Busch

Autor:Ulrike Busch [Busch, Ulrike]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Klarant Verlag
veröffentlicht: 2016-11-15T23:00:00+00:00

17. Kapitel

Am Sonntag vor Antritt ihrer neuen Arbeitsstelle verließ Inka früh am Morgen das Haus und ging zum Strand. Langsam löste sich der Hochnebel auf. Wie in einen Weichzeichner getaucht lag das Meer im diffusen Licht der aufgehenden Sonne da.

Inkas Gedanken schwenkten zu Erik. Sie vermisste die Stunden an seinem Grab. Seit sie von Essen fort war, guckte sie immer wieder in den Himmel, hielt Ausschau nach einer Wolke und bat Erik um Verzeihung, dass sie nicht zum Friedhof gehen konnte. Ob er wusste, wo sie jetzt lebte? Konnte er sie sehen?

Molly hatte versprochen, sich um das Grab zu kümmern. Linda Rosenzweig hatte dafür gesorgt, dass ihrer Freundin jeden Monat eine feste Summe von Inkas geheimem Konto überwiesen wurde, damit sie Erik frische Blumen brachte.

Molly war ein Schatz. Obwohl in ihrem Haus kaum Platz war, hatte sie, wie Linda berichtete, Inkas liebste Möbelstücke in ihren Kellerräumen und auf dem Dachboden untergebracht, außerdem den Schmuck und einige andere Dinge, die ihr wichtig waren. Ohne Mollys Hilfe wäre Inka bei ihrer überstürzten Flucht aufgeschmissen gewesen. Das Traurige war: Für all die Hilfe konnte sie sich nicht persönlich bei ihrer besten Freundin bedanken.

Sehnsüchtig beobachtete Inka, wie eine Fähre sich aus dem Hafen auf die See hinausschob und Kurs auf Spiekeroog nahm. Wie oft hatte Daniel ihr von den Segeltörns erzählt, die er als Kind mit seinen Eltern unternommen hatte! Es war noch gar nicht lange her, da hatte er mit ihr gemeinsam Pläne für eine Kreuzfahrt ins Nordmeer geschmiedet.

Aus der Traum.

Wenn sie Daniel doch endlich vergessen könnte.

Inka kehrte wieder in den Ort zurück. Nachdenklich blieb sie vor einem kleinen Schmuckgeschäft stehen, in dessen Schaufenster auffällig schöne Exponate lagen. Ihr Blick fiel auf ein Pappschild, das in einer Ecke des Fensters hing:

Goldschmiedekurs für Anfänger

13./14. Juni, 10.00 - 16.00 Uhr

Anmeldung hier

Wenn das kein Wink des Schicksals war! Mit beiden Händen umklammerte Inka den langen Griff an der Eingangstür, um in das Geschäft zu stürmen und sich anzumelden. Vergeblich. Ein Schild an der Tür wies darauf hin, dass der Laden am Sonntag ab zwölf geöffnet war. Inka sah auf die Armbanduhr. Kurz nach zehn. Sie würde nach dem Mittagessen wiederkommen.

Auf dem Weg nach Hause träumte sie sich in den Goldschmiedekurs. Was für ein Gefühl würde es sein, wieder Material in den Händen zu halten und etwas daraus zu gestalten! Sie würde sich bremsen müssen, damit niemand merkte, dass sie alles andere als eine Anfängerin war.

Eine leise Stimme rief ihr Linda Rosenzweigs Warnung in Erinnerung, Graubner könnte auf die Idee kommen, sie in Schmuckwerkstätten und Juweliergeschäften zu suchen. Jetzt musste Inka darüber schmunzeln. Der Mann suchte sie doch nicht in so einem abgelegenen Ort! In Berlin, Frankfurt oder Köln vielleicht, aber nicht in Neuharlingersiel.

Überglücklich schloss Inka ihre Wohnungstür auf. Im selben Moment öffnete Mareen ihre Tür und Alida hüpfte auf den Flur.

»Hallo, ihr beiden«, sagte Inka. »Wollt ihr auch einen Spaziergang machen? Ist tolles Wetter heute und so schöne Luft.«

Mareen schüttelte den Kopf. »Hab wieder ’ne Mail für dich bekommen«, flüsterte sie.

Inka schlüpfte durch die Tür und folgte ihrer Nachbarin ins Schlafzimmer.

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